Berichte

Trainerfortbildung in Italien II

Sonntag:

Am 11. Juni flog Alexander Schumann von Bremen über München nach Bologna, Italien.

Sein Ziel war das Karate Eurocamp, das seit mehreren Jahren vom italienischen Nationalverband der FIJLKAM (Federazione Italiana Judo, Lotta, Karate, Arti marziali) ausgerichtet wird. Er reiste jedoch nicht als Teilnehmer, sondern als einer von vier Trainern des Deutschen Karate Verbandes (DKV) an, die im Rahmen des Camps eine Trainerfortbildung erhalten sollten. Diese Fortbildung fand im Rahmen des Erasmus+ Projektes Karate: Sport at School statt. Für dieses Projekt werden Untersuchungen an mehreren Schulen in Europa durchgeführt, um die langfristigen Auswirkungen des Karate auf die kognitiven und motorischen Entwicklungen von Kindern zu untersuchen. Neben den Trainern aus Deutschland waren auch Trainer der Karate Nationalverbände aus Frankreich, Italien, Polen, Portugal und Spanien eingeladen.

v.l. Eva, Professor Aschieri und Alex

Die fortgebildeten Trainer werden im Schuljahr 2017/2018 jeweils an einer Schule eine zweite Klasse im Karate nach der Theorie und Methodik unterrichten, die ihnen während der Fortbildung vermittelt wurde. Der theoretische Teil der Fortbildung wurde Alex bereits im März in Ostia (Italien) vermittelt, wie der Budokan berichtete. In dieser Woche fand der praktische Teil statt, in welchem konkrete Unterrichtsmethoden, Unterrichtsinhalte und weitere Informationen zu den Testverfahren im Rahmen der Untersuchung vermittelt wurden. Das Konzept des Karate-Unterrichts basiert auf einem neuen wissenschaftlichen Ansatz. Über eine Langzeitstudie soll belegt werden, dass sich das Karate positiv auf die motorische und kognitive Entwicklung von Kindern auswirken kann. Initiator der Studie ist Professor Aschieri. Die Studie erfolgt anhand der Ergebnisse der Untersuchungen an 20 Schulen in Europa.

Blick über die Alpen

Aufgrund der bisherigen erfolgsversprechenden wissenschaftlichen Grundlagen entschied sich die Europäische Union dieses Projekt als Erasmus+ Projekt zu fördern und zu unterstützen.
Auf seiner Anreise nach Italien traf Alex auf Alexander Löwe, einen weiteren Trainer und den Vize-Präsidenten des DKV, und Elmar Griesbauer, den DKV-Schulsportreferenten und Leiter des deutschen Trainerteams für das Erasmus Projekt. Von München aus flogen sie zusammen nach Bologna. Nach einer etwa eineinhalbstündigen Fahrt erreichten sie gegen 23 Uhr das Hotel in Cesenatico, welches nicht weit vom Eurocamp entfernt war.

Offizieller Beginn war am Montagmorgen um 9 Uhr.
Zuvor nutzte Alex die Möglichkeit noch vor dem Frühstück im hoteleigenen Pool einige Bahnen zu schwimmen, anstelle seiner morgendlichen Trainingseinheit im Dojang in Großsander. Um 8 Uhr traf sich das deutsche Team dann im Restaurant zum Frühstück, ehe es um 9 Uhr mit dem Bus zum Eurocamp ging, in welchem jährlich mehr als 20.000 Kinder in verschiedenen Sportarten, wie z.B. Basketball, Fußball, Tanzen oder Karate ausgebildet werden.

Das deutsche Team mit zwei Trainern (außen) und Prof. Aschieri vierter v.l.

Dort angekommen begrüßte Professor Aschieri offiziell die teilnehmenden Trainer und stellte den Ablaufplan der Woche vor. Professor Aschieri wollte mit der Gruppe der fünf- bis achtjährigen Teilnehmer des Camps innerhalb der Schulungswoche verschiedene Themenbereiche, wie die Beweglichkeit, Koordination oder das Körpergefühl behandeln. Das Ziel bestand darin, den Trainern die anzuwendenden Methoden und Übungen für die Schulung der motorischen Fähigkeiten von Kindern im Grundschulalter zu vermitteln.

Für die Studie werden den Kindern anspruchsvolle Bewegungsaufgaben vermittelt, deren Schwerpunkt in der Koordination liegt. Das Zusammenspiel von verschiedenen Sinneswahrnehmungen mit der Körperbeherrschung soll die neuronale Vernetzung im Gehirn der Kinder durch den Ansatz des Karates gezielt verbessert.

Erläuterung der Theorie am Praxisbeispiel

Beispielhaft erörterte er das Zusammenspiel an Samuele Marchese, einem der Übungsleiter des Camps, bei der Anreißbewegung für den Mawashi-Geri. Neben Informationen über die Fußsohle werden auch visuelle Informationen sowie Informationen aus dem Innenohr zum Gleichgewicht ans Gehirn weitergeleitet. Diese Informationen werden im Gehirn gefiltert und ausgewertet.

Übung an der Koordinationsleiter

In der folgenden Praxiseinheit wurden neben verschiedenen motorischen Übungen zur Fortbewegung besonders die Bedeutung der stabilisierenden Wirkung durch Spannung im Unterbauch und einer geraden Haltung der Wirbelsäule herausgestellt, die in der Kampfkunst bei jeder Technik vermittelt werden.

Für die Praxiseinheiten wurden die Trainer in Gruppen aufgeteilt. Alex hatte für diesen Teil eine Beobachterrolle inne, während ein Teil des deutschen Teams zusammen mit Trainern anderer Länder die Übungen durchführte. In jeder weiteren Praxiseinheit wurden die Rollen getauscht.
Verschiedene Übungen wie das Vorwärts- und Rückwärtsgehen im Vorwärts-, bzw. Seitwärtsstand wurden mit natürlichen Bewegungen der Arme kombiniert. Die Übungen wurden später an der Koordinationsleiter variiert. Professor Aschieri rief regelmäßig die Trainer zusammen, um auf die anatomisch natürlichen Bewegungen, die für die Übung verwendet werden, hinzuweisen.

Zum Mittagessen fuhren die Trainer zurück ins Hotel. Dort hatten sie im Anschluss noch etwas Zeit, die das deutsche Team zum Schwimmen und zum gemütlichen Beisammensein nutze.
Gegen 15 Uhr fuhr Alex erneut mit dem Bus ins Eurocamp. Dieses Mal war er an der Reihe, das Programm auszuprobieren und eigene Erfahrungen sammeln zu können. Er nutzte die Möglichkeiten für Fragen an die Trainer des Camps und Professor Aschieri, um sich bestmöglich auf seinen eigenen Unterricht vorzubereiten. Denn nach den Sommerferien soll er Grundschüler in Deutschland eben in diesen Übungen unterrichten.

Beinschwung nach vorne

Dienstag

Nach dem Frühstück fand zunächst eine kurze Theorieeinheit statt. Professor Aschieri betonte die Wichtigkeit der richtigen Übungen für eine leistungsstärkere, aber zugleich auch dehnbare Muskulatur. Im Zusammenspiel von mehreren Muskeln und Sehnen ergibt sich dann ein beweglicher und zugleich leistungsfähiger Bewegungsapparat. Aus diesem Grund sollen bei den Muskeln sowohl die Protagonisten, als auch die Antagonisten einer Bewegung trainiert und gedehnt werden, da ein einseitiges Training zu Verkürzungen und dadurch in der Folge zu Verletzungen führen kann.
„Der Körper muss vorbereitet werden alles zu schaffen, was der Kopf sagt“, so Professor Aschieri.
Im Training sollten neben passiven Dehnübungen überwiegend dynamische Dehnübungen, wie beispielsweise der Beinschwung nach vorne verwendet werden, da sie einen höheren koordinativen Anspruch haben.

In der Praxiseinheit am Nachmittag wurde verdeutlicht, dass die Dehnübungen auch eine Vorbereitung auf spätere technische Ausführungen waren.  
Bei den Kräftigungen wurden in spielerischer Form mit einem Ball mehrere Übungen verbunden, mit denen mehrere Bauchmuskelgruppen beansprucht wurden.
Der Ball wird mit den Händen entgegengenommen, dann erfolgt der Sit Up. Der Ball wird zwischen die Füße geklemmt, die Knie zur Brust bewegte und das Becken angehoben, sodass die gestreckten Beine sich über den Kopf und der Ball in Richtung Partner befindet.

Nach dem Abendessen nutzte das deutsche Team den Abend für einige Gespräche auch mit Teams der anderen Nationen über die noch ausstehenden thematischen Inhalte der anstehenden Tage.

Mittwoch


Nach einer morgendlichen Schwimmeinheit gingen die Budoka frisch und munter zum Frühstück. Gestärkt für den Tag fuhren sie anschließend zum Eurocamp, wo ein Teil der Testinhalte zur Verhaltens- und kognitiven Entwicklung vorgestellt wurden. Zu Beginn wies der verantwortliche Forscher der Universität Madrid, Oscar Martinez, zunächst auf die große Möglichkeit das Karate an den Schulen zu etablieren hin. Für die Entwicklung liege bei den Trainern eine hohe Verantwortung ein gutes Training, genaue Testverfahren und eine präzise und wissenschaftlich korrekte Evaluation durchzuführen. Für den Stellenwert des Karate ist das Projekt, nach Meinung von Martinez, sogar wichtiger als die olympischen Spiele. Denn dort gebe es nur einen Champion und viele passive Zuschauer, in den Schulen dagegen werden viele Schülerinnen und Schüler direkt erreicht.
Der Start der Erhebung ist im September.
Am Nachmittag wurden zunächst weitere Fragen zur Erhebung geklärt, ehe Professor Aschieri den Trainern weitere Erklärungen zu den praktischen Inhalten der letzten Tage gab. Dafür war anders als sonst keine Schülergruppe anwesend, sondern lediglich der Übungsleiter Samuele Marchese. Die Kinder des Eurocamps im Karate haben jeden dritten Tag keinen Karate Unterricht, sondern unternehmen einen Ausflug. An diesem Tag waren sie in einem Erlebnispark in Bologna.

Donnerstag
Im Mittelpunkt der Theorie des ersten Unterrichts stand dabei die Kontrolle des Gleichgewichts bei verschiedenen Bewegungen und Sprungübungen. Professor Aschieri wies die Trainer an, mit Techniken wie dem Mawashi Geri erst zu beginnen, wenn die Kinder über ein ausreichendes Maß an Dehnbarkeit und Balance verfügen.
Ein weiterer Punkt ist, dass innerhalb des Lernprozesses die Bewegungen immer mehr gefühlt und verinnerlicht werden, sodass die Augen auf das Ziel gerichtet sein können.

Abends saß das deutsche Team zusammen und hat die neuen Informationen des Tages zu den Erhebungen und der Durchführung des Projektes an den Schulen besprochen und diskutiert. Dabei wurden ebenfalls die nächsten Schritte für die Umsetzung des Erasmus Projekt in Deutschland weiter konkretisiert.

Um falsche Kniepositionen in den Ständen besser erkennen und korrigieren zu können, sollen die Schüler in kurzen Hosen und T-Shirt trainieren. Verfügen sie über ein ausreichendes Maß an Körperbeherrschung und Vermögen die anspruchsvollen Bewegungen auszuführen, wird ihnen erlaubt einen Gi zu tragen.

Da am Wochenende der World Karate Day in München stattfand, reiste ein Teil des deutschen Teams bereits am Nachmittag ab. Den restlichen Trainern stand aufgrund einer kurzfristigen Planänderung mehr Freizeit zur Verfügung. Alex nutzte die Möglichkeit für ein zusätzliches Training am nahegelegenen Strand.

Prof. Pauli (r.) stellt die Tests vor

In der Praxiseinheit am Nachmittag erklärte Professor Pauli mit seinem angereisten Team die Durchführung der motorischen Tests, die mit den Schülern durchgeführt werden sollen.
Im Anschluss nutzten die Trainer der verschiedenen Nationen die Möglichkeit sich gegenseitig zu testen und aufkommende Fragen direkt an das wissenschaftliche Fachpersonal zu stellen.
Den letzten Abend verbrachte das deutsche Team gemeinsam auf der Terrasse des Hotels bei heißen Getränken.

Freitag

Am letzten Tag traf sich das deutsche Team bereits um 7:30 Uhr zur Frühstück. Während einige Trainer den Morgen zum Packen nutzten, stattete das deutsche Team dem Strand einen letzten Besuch ab. Die Trainer der anderen Länder waren von der Trainingseinheit der Budoka am Strand begeistert. Einige nutzten den Morgen ebenfalls für eine Trainingseinheit.

Zurück im Eurocamp wies Professor Aschieri die Trainer erneut auf ihre große Verantwortung hin, da das gesamte Projekt in erster Linie von der sorgfältigen Arbeit abhängt, die von den Trainern in den Schulen geleistet wird.
Er verabschiedete sich von den Budoka und dankte ihnen für ihre Bemühungen und ihre Zeit, die sie dem Karate widmen.
Alex wurde mit dem Shuttle zum Flughafen in Bologna gefahren, der an diesem Tag teilweise bestreikt wurde. Zum Glück war der Flug nach Frankfurt nicht vom Streik betroffen und er gelangte bis auf längere Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle ohne Schwierigkeiten nach Frankfurt. Auch der Umstieg in Frankfurt in das Flugzeug nach Bremen gestaltete sich ohne Probleme. In Bremen angekommen stellte sich heraus, dass das Gepäck in Frankfurt zurückgeblieben war. Letztlich kam er jedoch wohlbehalten am frühen Samstagmorgen in Oldenburg an.

Ein Teil der Trainer (hinten), mit je einem Landesvertreter und den Verantwortlichen (mitte) und einem Teil der teilnehmenden Kinder (vorne)

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